Antrag „Sicherer Hafen“ und „Leitbild Integration“:
Wir, der Jugendrat Ansbach, beantragen, dass sich die Stadt Ansbach zum „Sicheren Hafen“ erklärt und die kommunale Integrationsarbeit durch ein „Leitbild Integration“ stärkt.
Erläuterung „sicherer Hafen“:
Der Begriff „Sicherer Hafen“ stammt aus einer Kampagne der SEEBRÜCKE. Sie ist eine internationale soziale Bewegung, die sich für Menschen auf der Flucht, eine Entkriminalisierung der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme Geflüchteter einsetzt. Diesen Bestrebungen haben sich in Deutschland bereits 158 Städte angeschlossen und sich im Sinne der Forderungen der SEEBRÜCKE zum „Sicheren Hafen“ erklärt – so zum Beispiel auch Wei-ßenburg im vergangenen Jahr. Die ausführlichen Forderungen sind diesem Antrag beigelegt. Im Groben stützen sie sich auf folgende Punkte:
Öffentliche Solidaritätserklärung;
Einsatz für sichere Fluchtwege und Unterstützung der Seenotrettung;
Aufnahme von Menschen auf der Flucht;
Kommunales Ankommen und Bleiben gewährleisten;
Vernetzung;
Transparenz.
Erläuterung „Leitbild Integration“:
Als logische Konsequenz aus der Forderung der SEEBRÜCKE, „Kommunales Ankommen und Bleiben [zu] gewährleisten“, schlagen wir außerdem vor, ein Gesamtkonzept für städtische Integrationsarbeit – in Form eines Leitbildes - auszuarbeiten. Hierfür berufen wir uns auf folgende, durch die Stabstelle Integration empfohlenen Handlungsfelder:
Sprachliche Integration und Bildung
Berufliche Integration – Wirtschaft und Arbeit (Weiterentwicklung des Ansbach Paktes)
Soziale, kulturelle und gesellschaftliche Integration
Politisch-partizipatorische Integration
interkulturelle Öffnung der Verwaltung
Aktionsplan gegen Rassismus und Diskriminierung
Ein „Leitbild Integration“ soll sicherstellen, dass Zugewanderte zügig in die Bildungs- und Beschäftigungssysteme finden und somit (finanziell) unabhängig und selbstbestimmt leben. Dieses Leitbild soll in einem gemeinsam mit den relevanten externen Akteuren wie (Sprach-)Schulen, Agentur für Arbeit/Jobcenter, Wohlfahrtsverbänden und Vereinen entstehen und somit eine gelingende Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt aktiv gestaltet werden. Darüber hinaus soll auch die aufnehmende Stadtgesellschaft sensibilisiert und somit Rassismus/ Diskriminierung bekämpft werden.
Begründung:
Über 40.000 Menschen befinden sich momentan in Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln. 20.000 davon allein im Camp Moria, das eigentlich für 3.000 Menschen angelegt ist und dem es an ausreichend sanitärer Versorgung mangelt. Die Zustände in den Lagern spitzen sich in den letzten Monaten dramatisch zu: Schwerer Gewalt, Vergewaltigungen und Krankheiten ausgesetzt sowie ohne Schule, Arbeit oder andere Betätigungsmöglichkeiten warten die Menschen über Jahre und Monate völlig zusammengepfercht auf den Beginn ihres Asylverfahrens. Dieser – vor allem in Anbetracht der aktuellen Pandemie – untragbare Zustand hat zur Gründung diverser Kampagnen geführt (z.B.: „#leavenoonebehind“). Immer dominanter wird auch die Debatte um die Aufnahme von aus Seenot geretteten Flüchtenden in Europa. Angesichts fortwährender Kriege, Krisen und des Klimawandels sind Prognosen zu Folge auch für die Zukunft größere Fluchtbewegungen zu erwarten. Nach Ansicht der SEEBRÜCKE und der Antragstellenden gibt die Europäische Union für diese zunehmend relevanten Fragen allerdings nur unzureichende Antworten. Während innereuropäische Unstimmigkeiten über Verteilsysteme diskutiert werden, stehen zivile Seerettungsschiffe zwangsweise still oder werden durch die EU am Einlaufen in einen sicheren Hafen gehindert. Das „Städtebündnis Sicherer Häfen“ betont, dass es für Europa unwürdig sei, Menschen in Not tagelang auf einem Schiff festzusetzen. Auch dürfen das Recht auf Asyl, sowie das internationale Seerecht und die Genfer Flüchtlingskonvention nicht weiter missachtet werden. Dieser Haltung schließen wir uns an. Wir sehen es als unsere moralische Pflicht, öffentlich für die Menschenrechte und –würde unserer Mitmenschen im Mittelmeer und an den EU-Außengrenzen einzustehen und ihnen aktiv unsere Unterstützung zu bieten. Um außerdem entsprechende europäische Lösungen anzutreiben, möchten wir daher „Sicherer Hafen“ werden.
Momentan erfüllt die Stadt Ansbach die verpflichtende Quote zur Aufnahme Geflüchteter (Königsteiner Schlüssel) mit 180% überproportional – außerdem findet ein großer Zuzug aus dem Landkreis nach Ansbach statt. Diese bereits bestehende Aufnahmebereitschaft begrüßen und loben wir sehr. Damit zeigt die Stadt Ansbach eine tolerante und weltoffene Haltung, die es nun als „Sicherer Hafen“ in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen gilt. Ziel ist es vor allem, ein gerechtes Verteilungssystem seitens der EU zu bezwecken. Ein stetiges Ansteigen verschiedenster Fluchtbewegungen ist gewiss – den damit einhergehenden gesellschaftlichen Aufgaben müssen wir uns also unweigerlich stellen. Je mehr Städte sich als „Sicherer Hafen“ anschließen und ihre solidarische Verantwortung wahrnehmen, desto weniger Last haben einzelne Länder und Städte zu tragen. Deshalb sollte sich auch die Stadt Ansbach gerade wegen des bereits bestehenden Engagements zum „sicheren Hafen“ erklären.
Die mit der Zuwanderung verbundene Herausforderung der kommunalen Integration vor Ort ist aus unserer Sicht mit dem beantragten Gesamtkonzept für städtische Integrationsarbeit – in Form eines Leitbildes – zu bewältigen. Erste Schritte geht die Stadt Ansbach mit der Teilnahme an dem Beratungsprojekt „weltoffene Kommune“, welches zum Ziel hat, die kommu-nale Integrations- und Diversitätsarbeit strategisch weiterzuentwickeln. Aus unserer Sicht sollte die Stadt Ansbach die gewonnenen Kenntnisse dazu nutzen, ein Leitbild zu entwickeln. Die Notwendigkeit wird auch anhand folgender Daten deutlich: Seit 2019 ist die Anzahl von Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft in Ansbach um circa 125 Prozent angestiegen. (2009: 2.872 / 2019: 6.486) Zusätzlich leben 4.123 Personen mit Doppelter Staatsbürgerschaft und somit ca. 10.600 BürgerInnen mit Migrationshintergrund in Ansbach.
Diese Daten zeigen, dass die Forderung nach einem „Leitbild Integration“ einer kommunalen Aufgabe gerecht wird, die 25% aller Ansbach*innen betrifft.
Vorschlag:
In diesem Antrag erklärt sich der Jugendrat, im Bereich der eigenen Möglichkeiten dazu beizutragen, die Stadt Ansbach zu einem „Sicheren Hafen“ werden zu lassen und bei der Entwicklung des „Leitbildes Integration“ mitzuwirken.
Wir bitten darum, den Antrag zu beschließen und sich somit als weltoffene Kommune mit Menschen jeder Herkunft solidarisch zu erklären.
Außerdem schlagen wir vor, die Stabstelle Integration mit der Ausarbeitung des beantragten Leitbildes für Integrationsarbeit zu beauftragen.
Mit besten Grüßen
Assia Rizk
I.A. des Jugendrats
(FSJ-Leistende, Kommunale Jugendarbeit Ansbach)
Wir haben keine Flüchtlingskrise, wir haben eine Menschlichkeitskrise
In der Stadtratssitzung am 29. September wurde der Antrag „sicherer Hafen und Leitbild Integration“ des Jugendrats mehrheitlich abgelehnt. Während die OLA und die Grünen geschlossen dafür stimmten, wurde von Teilen der SPD, Teilen der BAP, Teilen der ÖDP, der CSU, den Freien Wählern und der AfD dagegen gestimmt, dass Ansbach ein „sicherer Hafen“ für Geflüchtete wird und ein Leitbild für kommunale Integrationsarbeit erstellt wird.
Wir, die Mitglieder des Ansbacher Jugendrats, akzeptieren das Ergebnis der Abstimmung, bedauern jedoch, wie in der Sitzung mit unserem Antrag, unserer Vorbereitung und unserer Anwesenheit umgegangen wurde. Der Jugendrat hat sehr viel Zeit und Arbeit in den Antrag „Sicherer Hafen und Leitbild Integration“ und zuvor auch in die Unterstützung der Kampagne „#leavenoonebehind“ gesteckt. Daher fanden wir es enttäuschend, dass unser Antrag nach langer Wartezeit auf TOP 6 erst gar nicht besprochen werden sollte und dass dann von zwei Stadtratsmitgliedern mehrfach auf unser Rederecht verwiesen werden musste, bevor unser Jugendratsmitglied Oskar Pöpel den Antrag vorstellen durfte.
Für die Zukunft wünschen wir uns einen fairen und respektvollen Umgang mit dem Jugendrat und eine bessere Kommunikation bezüglich der Anträge.
Vergessen möchten wir dennoch nicht die Unterstützung und das Engagement verschiedener Stadtratsmitglieder, ohne die wir womöglich gar nicht zu Wort gekommen wären.
Doch viel wichtiger als der Umgang mit uns und unsere Befindlichkeiten diesbezüglich ist doch das Thema „Flucht“, um welches es eigentlich gehen sollte. Teilweise wirkte es so, als spräche man gerade nicht über notleidende Menschen, sondern über Kosten, Verwaltungsaufwand oder weitere Versachlichungen, die wir hier nicht wiederholen möchten. Wir als Jugendrat begrüßen zwar den Beschluss des Stadtrats, Geflüchtete aus Moria in Ansbach aufzunehmen, erachten dies aber als nicht genug.
Dieser Zustand machte uns deutlich:
Wir haben keine Flüchtlingskrise – Wir haben eine Menschlichkeitskrise.
i.A.d. Jugendrats
Assia Rizk & Anna Mannke